Wissen Luga 2023

Ihn interessiert die Bohne!

Was ganz genau macht ein Kaffee-Sommelier? Und warum kann Kaffee so faszinieren? Im Interview mit dem Kaffee-Sommelier Willy Zemp erfahren Sie ganz neue Seiten des Genussmittels Kaffee.

Interview: Roger Amberg / Bilder: Willy Zemp
Erschienen im KunststoffXtra, Messeausgabe vom Dezember 2022.

Willy Zemp, der Kaffeekonsum nimmt weltweit zu. Kaffee ist das am zweithäufigsten konsumierte Getränk nach Wasser. Weshalb ist Kaffee aus Ihrer Sicht ein so beliebtes Getränk?

Vielleicht wegen der anregenden Wirkung auf unsere Leistung oder einfach nur wegen der enormen Vielfalt der Aromen. Aber genau diese Vielfalt der Aromen ist der Grund, weshalb man das nicht so genau sagen kann. Kaffee hat über 1000 benennbare Inhaltsstoffe, und längst ist Kaffee noch nicht komplett entschlüsselt.

 

Wie sind Sie persönlich zum Thema Kaffee gekommen?

Ich bin vor rund 20 Jahren eher per Zufall darauf gestossen. Ich war vorher als Winzer in der Weinbranche tätig, hatte ein Weingut und produzierte Wein. Ich stand dann aber vor dem Problem, dass ich sehr hohe Investitionen tätigen musste, um die Kellerei fortzuführen. Das war für mich als 20-Jähriger finanziell nicht machbar, weshalb ich die Kellerei verkauft habe. Ich habe dann ein Angebot aus der Kaffeebranche erhalten und habe festgestellt, dass Wein und Kaffee sehr viele Parallelen haben. Der Unterschied war einzig, dass man über Kaffee noch nicht so viel wusste wie über Wein. Das hat mich sehr fasziniert.

 

Was fasziniert Sie am Kaffee konkret?

Mich fasziniert die Vielfalt von Kaffee. Dieser ist noch vielfältiger als Wein. Wir kennen heute unter den Kaffeegewächsen über 100 verschiedene Baumarten. Alleine die Sorte Arabica umfasst über 6000 verschiedene, kultivierte Varietäten. Je nachdem wo nun diese Varietät wächst, welches Mikroklima dort herrscht und wie die Kaffeekirsche bei der Ernte aufbereitet wurde (trocken, fruchtig oder süss), verändert sich das Aroma wieder gewaltig. Und wie der Oenologe beim Wein, so kann ich als Coffeologe beim Rösten diese Vielfalt von Aromen zum Vorschein bringen.

 

Nebst dem Titel als Coffeologe sind Sie auch der einzige international anerkannte Schweizer Kaffee-Sommelier. Was genau macht ein Kaffee-Sommelier?

Als Kaffee-Sommelier habe ich die Fähigkeit und Möglichkeit, an internationalen Degustationen Spezialitäten-Kaffees zu bewerten. So habe ich den Vorteil, Kaffees zu entdecken und in die Schweiz zu bringen, welche sonst nie auf dem Weltmarkt auftauchen werden. Heute verarbeite ich nur noch absolute Raritäten. Kaffees, die auf einer Skala von 100 Punkten 90 oder mehr erhalten haben. Weltweit erreicht nur ein Prozent der Kaffees eine so hohe Punktzahl. Die meisten sogenannten «Börsenkaffees» wie beispielsweise die Sorte «Arabica Brasilien» haben unter 80 Punkte. Diese werden an den Kaffeebörsen gehandelt und finden so den Weg zu unseren Händlern und Röstern in der Schweiz.

Das ist Willy Zemp

Als ausgebildeter Barista, Coffeologe und Kaffee-Sommelier besitzt Willy Zemp grosses Fachwissen in den Bereichen Kaffeeanbau, Röstprozesse und Kaffeezubereitung. Als Barista zaubert Willy Zemp aus jedem Kaffee ein Meisterwerk und in der Rolle als Coffeologe kennt er die gesamte Wertschöpfungskette des Kaffees vom Anbau bis zum fertigen Getränk bestens. Zusätzlich verfügt Willy Zemp tiefgründige Kenntnisse hinsichtlich der Sensorik des Kaffees und so ist der Entlebucher auch als Kaffee-Sommelier tätig. Dabei ist er weltweit unterwegs auf der Suche nach qualitativ hochstehenden Kaffeebohnen. Diese verarbeitet er zu genussvollen Kaffeeprodukten, die in seinen Online-Shop erhältlich sind.

Weshalb gibt es in der Schweiz in Ihrer Person nur einen einzigen Kaffee-Sommelier? Hat das einen spezifischen Grund?

Weil wir noch ganz am Anfang stehen, diese enorm vielfältige Welt zu entdecken. Im Allgemeinen wird Kaffee über die Kaffeebörse gehandelt. Nur wenige Leute stellen den Kaffee mit dem Wein gleich und verarbeiten nur den qualitativ besten Kaffee. Ich bin da noch ein absoluter Pionier.

 

Die Kaffeeindustrie ist riesig und global geworden. Die Schweizer Exporte von Kaffee nahmen von 202 Millionen Franken im Jahr 2006 auf 2,5 Milliarden Franken im Jahr 2019 zu. 70 % bis 80 % des weltweit exportierten Roh-Kaffees wird über die Schweiz gehandelt. Weshalb ist die Schweiz ein so wichtiger Standort für den Kaffee?

Dank der wirtschaftlichen Stabilität und des günstigen Steuerwesens haben sich in der Schweiz sehr grosse Rohkaffeehändler niedergelassen. Ein weiterer Grund dürfte auch die zentrale Lage in Europa sein. So kann ich am Vormittag Handel mit Asien, mittags mit Afrika und am Nachmittag Handel mit Amerika betreiben.

Schweizer Kaffeemaschinen-Hersteller sind weltweit führend in Marketing, Design und Entwicklung. Was machen Schweizer Maschinen aus?

Das hat viel mit unserer Kultur zu tun. Wir Schweizer sind die Erfinder des Kaffee Creme. Wir wollten zum einen Kaffee mit sehr viel Körper wie Espresso, zum anderen aber auch fruchtigen und aromatischen Kaffee wie den Filterkaffee. Also haben wir den Kaffee Creme erfunden und für die Produktion eigene Maschinen entwickelt, die bekannten Kaffeevollautomaten. Diese Maschinen haben ihren Weg schnell in die Gastronomie und später auch in die Haushalte gefunden. Das hat uns bekannt gemacht. In anderen Ländern wird zum Teil noch über 70 % Filterkaffee getrunken. Der Vollautomat hingegen ist eine Schweizer Erfindung. Zahlreiche Ingenieure haben die Maschinenherstellung weiterentwickelt, entsprechend haben wir in der Schweiz sehr professionelle Vollautomaten-Kaffeemaschinen. Heute expandieren wir diese in die ganze Welt. Swissness gilt für viele Länder noch immer als Qualitätsmerkmal.

Zum Schluss noch einen kurzen Blick in die Zukunft. Auch der Klimawandel hat Einfluss auf den Kaffee: Die empfindlichen Kaffeepflanzen leiden unter dem Klimawandel. 50 % der Anbauflächen sind gefährdet. Kann das zusammen mit dem erhöhten Bedarf gut gehen?

Der Klimawandel wird dazu führen, dass nicht mehr so viel Kaffee kultiviert werden kann wie heute. Gleichzeitig hat der Kaffeekonsum extrem zugenommen und wird weiter ansteigen. Beispielsweise konsumiert Brasilien mittlerweile 50 % seines Kaffees selber. Es kommt also immer weniger Kaffee auf den Weltmarkt. Momentan können sich die Preise aufgrund der hohen Lagerbestände noch halten. Wir konsumieren aber heute schon mehr Kaffee als angebaut wird. Kaffee wird deshalb in Zukunft teurer werden, und entsprechend gehe ich davon aus, dass der Konsument immer mehr Qualität will. Kaffee wird in Zukunft wie eine gute Flasche Wein sein und sich wieder in Richtung Genussmittel entwickeln. Das wäre eine Entwicklung, die für die Bauern vor Ort und auch für die Natur viele Vorteile bringen würde. 

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